Verbreitung der Hügelbauende Waldameisen


Einleitung - Koloniegründung allgemein:

In der Natur haben sich unzählige Wege und Strategien entwickelt, um die eigene Art zu erhalten, und in neue bisher unerschlossene Lebensräume einzudringen. Dies trifft auch auf die faszinierende Welt der Ameisen zu. In den Jahrmillionen ihrer Existenz, hat sich eine Vielzahl teils Hochspezialisierten Methoden entwickelt, um ein neues Nest zu gründen. Allgemein wird hier unterschieden zwischen der Gründungsform der eigenen Unabhängigen Koloniegründung und dem Sozialparasitismus. Ich werde im Folgenden beide beschreiben, und die Sonderformen erläutern.


1. ---- Unabhängige Koloniegründung ----

a. Unabhängige Koloniegründung - durch einzelne Königinnen (Haplometrose):

Unter den mitteleuropäischen Ameisenarten ist dieser Verlauf der Koloniegründung am weitesten Verbreitet. Er wird von etwa 67% aller Ameisenarten, benutzt. Dazu ziehen sich die begattete Königin an einen vor Feinden geschützten Ort zurück. Das kann in Erdlöchern, unter Steinen oder in alten Baumstümpfen sein. Geschützt vor Gefahren, beginnt sie hier mit der Eiablage, und zieht ihre ersten Arbeiterinnen selbst groß. Erst wenn diese alt genug sind, übernehmen sie die Aufzucht ihrer jüngeren Geschwister. Die Königin kann nun ihrer eigentlichen Aufgabe, des Eierlegens, ungestört nachgehen. Unterschieden wird bei dieser Gründungsform nochmals zwischen der claustrale und semiclaustrale Koloniegründung.

Hierbei ist "claustral" von dem lateinischen Wort "claustra" abgeleitet, und bedeutet soviel wie "abgeschlossener Raum".

Die claustrale Koloniegründung:

Nachdem die Königin in die Brutkammer die Eier abgelegt hat, muss sie sich und die geschlüpften Larven selbst ernähren. Als Energielieferant dienen die Abbauprodukte ihrer starken Flugmuskulatur. Das bedeutet, dass die Königin ihren ersten Nachwuchs mit eigenen Reserven selbst aufziehen muss.

semiclaustrale Koloniegründung:

Es wird vermutet das diese Form der Koloniegründung die älteste und ursprünglichste ist. Die Flugmuskulatur als alleiniger Energiespender ist hier nicht ausreichend und die Königin ist gezwungen sich zusätzlich noch außerhalb des Nestes Nahrung zu beschaffen. Dieser Weg der Koloniegründung stellt für die Königin ein zusätzliches Risiko dar, weil sie während der Nahrungssuche außerhalb ihre Nestes schutzlos ihren Feinden ausgeliefert ist.

Neben der Koloniegründung durch eine Königin, der Haplometrose, gibt es auch noch sogenannte Gründungsallianzen durch mehrere Königinnen.

b. Unabhängige Koloniegründung - durch mehere Königinnen (Pleometrose):

Bei dieser Gründungsform befinden sich mehrere Königinnen zusammen in einer Brutkammer. Das verläuft aber nur solange konfliktlos, bis die ersten Arbeiterinnen aus den Puppenkokons schlüpfen. Jetzt wird nur noch eine Königin akzeptiert. Das bedeutet, dass alle Königinnen bis auf eine getötet werden, und das Nest letztendlich monogyn (mit nur einer Königin) wird.

Oligogynie

Eine weitere Form der Nestbegründung mit mehreren Königinnen ist die Oligogynie. Hier haben die Völker zwar mehrere Königinnen in einem Nest, diese bewohnen aber unterschiedliche Nestbereiche. Ein unmittelbarer Kontakt untereinander besteht aber nicht. Bei einem direkten Zusammentreffen von Königinnen würde es unweigerlich zum Kampf kommen. Beispiele für oligogyne Arten sind: Lasius fuliginosus, Camponotus ligniperda

c. Unabhängige Koloniegründung durch Zweignestbildung:

Transport einer Konigin in ein neues Nest (Formica Polyctena)
Transport einer Konigin (Formica polyctena)

Diese Form der Koloniegründung ist bei vielen polygynen Ameisenarten (mehrere Königinnen) zu beobachten. Dabei erfolgt die Abwanderung von Arbeiterinnen samt einer oder mehrerer Königinnen an einen Neststandort in der näheren Umgebung. Mit dieser Strategie kann ein begrenztes Gebiet Schritt für Schritt erobert werden. Es entsteht ein sogenanntes polydomes, ein aus mehreren miteinander verbundenen Nestern, bestehendes Koloniesystem. Auf diese Weise können Kolonien von mehreren 100 Nestern entstehen.

Um ein neues Nest zu gründen, werden Arbeiterinnen in die Umgebung des Nestes ausgesandt. Ihre Aufgabe ist es, einen geeigneten Standort zu suchen, der ihren Lebensansprüchen entspricht.

Bei der kleinen roten Waldameise (Formica polyctena) wäre das z.B. ein alter Wurzelstock der an einen zumindest teilweise besonnten Standort liegt. Meist befindet sich die Stelle nur in wenigen Metern Entfernung. Allerdings habe ich dabei auch schon Entfernungen bis zu 100m beobachtet. Mit weiteren zur Hilfe gerufene Arbeiterinnen werden in den Baumstumpf Gänge und Hohlräume hineingearbeitet und begonnen einen Hügel darauf zu errichten. Jetzt ist die Zeit für den Umzug. Ein Teil des Mutternestes incl. Königinnen, Arbeiterinnen, Eiern und Puppen zieht um in das neue Nest. Dabei werden die Königinnen und die noch Ortsunkundigen Arbeiterinnen von den neuen Nestbesitzern getragen.


2. ---- Sozialparasitismus ----

Ein Teil der in Mitteleuropa vorkommenden Ameisenarten (23%) geht den Weg der sogenannten Sozialparasitischen Volksgründung.

Als Sozialparasitismus wird der Parasitismus zwischen eusozialen Insektenarten bezeichnet. Für die Ameisen bedeutet dies: Die Mitglieder einer Art machen sich die Leistungen einer anderen Art für eigene Zwecke zunutze um ihre eigene Art zu verbreiten.

Oder ganz einfach: Bei der Ausbreitung durch Sozialparasitismus dringt die Königin in das Nest eines anderen Ameisenvolkes ein, tötet meist deren Königin, und unterwirft sich das gesamte Volk.

Auch hier wird wieder zwischen mehreren Typen unterschieden. Der zeitlich begrenzte temporäre und der dauerhafte permanente Sozialparasitismus.

a. temporärer Sozialparasitismus:

Was bei dem zeitlich (temporär) begrenzten Sozialparasitismus geschieht möchte ich im Folgenden erläutern. Für die begattete Königin bedeutet dies, dass sie in ein Nest einer nah verwanden Art eindringen, und das Volk übernehmen muss. Dabei steht sie aber vor dem Problem sich an Arbeiterinnen vorbei bis zur Königin durchzukämpfen, und diese anschließend Ausschalten. Um das Sicherheitssystem des Nestes zu überwinden, haben die einzelnen Arten unterschiedliche Strategien entwickelt. Am häufigsten wird hierfür das Duftsystem des Nestes überlistet. Aber auch andere ausgefeilte Tricks werden verwendet um die Kontrolle über das fremde Nest zu erlangen. Sie alle zu erwähnen wurde hier zu weit führen.

Letztendlich hat die fremde Königin das fremde Nest unter ihre Kontrolle gebracht, und beginnt die Eier abzulegen. Um die Pflege und Aufzucht der Brut kümmern sich ab jetzt die Arbeiterinnen des übernommenen Nestes.

b. permanenter Sozialparasitismus :

Anders als beim temporärer Sozialparasitismus ist hier die eingedrungene Königin, und meist auch deren Arbeiterinnen, ständig (permanent) auf das Okupierte Volk angewiesen.

Bei Berhard Seifert "Die Ameisen Mittel- und Nordeuropas" wird zwischen Inquilinen oder ständige Einmietern, obligatorischen und degenerierten Sklavenjägern unterschieden.

Inquiline oder ständige Einmieter:

Einmieter bei denen die Königin meist am Leben bleibt. Die eingedrungene Königin hat in der Regel keine oder funktionslose Arbeiterinnen.

Wird auch als echter Brutparasitismus bezeichnet. Hier dringt zum Beispiel der arbeiterinnenlose Sozialparasit Anergates atratulus (Knotenameisen) in königinnenlose Nester von Tetramorium-Arten (Rasenameisen) ein, und legt dort in kurzer Zeit sehr viele Eier, die von den Wirtsameisen großgezogen werden.

Weitere Beispiele: Temnothorax minutissimus und Leptothorax kutteri.

obligatorischen Sklavenjäger (obligatorische Doloten):

Sind um zu überleben auf Sklaven angewiesen. Es müssen ständig neue Arbeiterinnen geraubt werden. Die Arbeiterinnen der eingedrungenen Königin sind auf die Sklavenjagd spezialisiert und zur eigenen Nahrungsaufnahme nur noch eingeschränkt in der Lage. - Arten: Epimyrma ravouxi

degenerierten Sklavenjager (fakultative Duloten):

Benötigen in gewissen Entwicklungsabschnitten Sklaven kommen aber auch ohne diese aus - bekanntes Beispiel: Formica Sanguinea


Koloniegründung - Waldameisen :

Im Vergleich zu den genannten Möglichkeiten mit denen die Ameisen ihren Lebensräume erhalten und neue Gebiete erobern können, sind die Ausbreitungsmöglichkeiten der hügelbauenden Waldameisen überschaubar. Unsere einheimischen Arten begründen einen neuen Staat in der Regel mit Hilfe des temporären Sozialparasitismus und durch Tochternestbildung.

Eine Ausnahme ist die Blutrote Waldameise (Formica sanguinea) die den fakultativen Sklavenjägern zugerechnet wird. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass kleine Nester häufiger Sklaven in ihren Nestern beherbergen als größere Nester oder Kolonieverbände.

Wie bereits unter "temporaler Sozialparasitismus" beschrieben, dringen hierbei die befruchteten Königinnen in das Nest in anderen Art ein. Dieses sind keine beliebigen, sondern den Waldameisen nahestehende Arten. Das sind die sogenannten Serviformicaarten. Sie werden deshalb auch treffend als Sklaven- oder Hilfsameisen bezeichnet.


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Links zum Thema:

- umfangreiches PDF-Dokument über Pleometrosen

- Oligogynie - Ameisenwiki

- Gründung eines Ameisenstaates - Ameisenwiki

- Sozialparasitismus - Ameisenwiki


Literaturquellen:

- Waldbewohnende Ameisen- Dr. Dr. Gustav Wellenstein (1990)


Letzte Änderung am 03.05.2015